26. August 2021 — Trauer um Professor Dr. Wolfgang Ribbe
Betrübt nehmen wir Abschied von unserem langjährigen Vorsitzenden und hochverdienten Mitglied Professor Dr. Wolfgang Ribbe, der am 26. August 2021 verstorben ist.
Wolfgang Ribbe war über mehrere Jahrzehnte hinweg das Gesicht unserer Kommission. Zuerst wirkte er in ihr als der Leiter der Sektion Berlin, dann vor allem von 1996 bis 2009 als ihr Vorsitzender, schließlich von 2009 bis 2012 als stellvertretender Vorsitzender. Er hat die Kommission in ihrer schwersten Krise Mitte der 1990er-Jahre, in der sie nach der Abwicklung ihrer Forschungsstelle vor den Trümmern ihrer bisherigen Existenz stand, stabilisiert und es erreicht, dass sie zu der wissenschaftlichen Gelehrtengesellschaft mit Konzentration auf die Landesgeschichte von Berlin-Brandenburg und von Brandenburg-Preußen umgeformt wurde, wie wir sie heute kennen. Und er trug mit seinen vielfältigen Forschungsinitiativen und zahlreichen Publikationen entscheidend dazu bei, dass damals nicht der beschworene Untergang der Kommission eintrat, sondern sie sich zu einem unübersehbaren Mittelpunkt der Berliner, brandenburgischen und preußischen (Landes-)Geschichte entwickelte. Er war es, der so mit seinen eigenen Untersuchungen wie mit den von ihm angeregten Projekten und Publikationen anderer, etwa mit dem Berliner Gedenktafelprogramm, unseren Verein viele Jahre entscheidend prägte. Dafür gebührt ihm unser aufrichtiger Dank!
Wolfgang Ribbe zählte zu den Landeshistorikern, die die Arbeit über die traditionellen Epochen hinweg und unter Einbeziehung verschiedener Forschungszweige schätzten. Von Hause aus Mediävist, blieb er zwar dauerhaft seinen mediävistischen Schwerpunkten verhaftet, griff aber immer wieder in die Neuzeit aus und befasste sich besonders eingehend mit der Geschichte Berlins im 20. Jahrhundert. Die Siedlungsgeschichte fand ebenso wie die politische, Verfassungs- und Kirchengeschichte sein Interesse. Besondere Aufmerksamkeit widmete er dem Fundament jeder geschichtswissenschaftlichen Forschung, den Quellen, indem er mehrere gewichtige Editionen verschiedener Quellentypen herausgab.
Zu seinen wichtigsten Arbeiten zählen Standardwerke wie die ›Geschichte Berlins‹ (herausgegeben 1987 anlässlich der 750-Jahr-Feier der Stadt und in drei Auflagen erschienen) sowie die ›Brandenburgische Geschichte‹ (gemeinsam herausgegeben mit Ingo Materna 1995). Ferner behalten die ›Berlin-Forschungen‹ (Bd. I–V) sowie die ›Geschichte der Berliner Verwaltungsbezirke‹ bis heute ihren Wert. Darüber hinaus entstammen seiner Feder wichtige Editionen zur brandenburgischen Geschichte, Regesten zur mittelalterlichen Geschichte Berlins sowie die Edition der Matrikel der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin (gemeinsam mit Peter Bahl). Zu seinen besonderen Leistungen gehörte es, dass er zahlreiche Kolleginnen und Kollegen immer wieder für Gemeinschaftsvorhaben zu gewinnen und durch die Bündelung von kompetenten Kräften für die Untersuchung überlegt ausgewählter Themen neue Impulse zu setzen vermochte. In sein Programm bezog er nach 1990 geradezu selbstverständlich akademische Kollegen aus dem Ostteil der Stadt ein, von deren wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit er überzeugt war.
Der Umfang der Publikationen, die von Wolfgang Ribbe initiiert und herausgegeben, selbst verfasst oder als Reihenherausgeber durch ihn gefördert wurden, spiegelt seine außergewöhnliche wissenschaftliche Leistung für die Geschichte Berlins, Brandenburgs und auch Preußens wider. Erst in der Freien Universität Berlin, dann aber vermehrt in der Historischen Kommission fand er seine wissenschaftliche Heimat und Wirkungsstätte, und nach 1996 galt sein ganzes Bestreben der Kommission, für sie setzte er sich mit der ganzen Kraft seiner Persönlichkeit ein, damit sie in gewandelter Gestalt ihren Platz in der Berliner, brandenburgischen und preußischen Geschichtsforschung bewahrte. Diese verliert mit Wolfgang Ribbe einen durch seine zeitliche und sachliche Vielfalt besonders profunden und ausgewiesenen Kenner.
In diesen Wochen sind unsere Gedanken bei seiner Familie. Wir trauern mit ihnen und werden Wolfgang Ribbe ein ehrendes Andenken bewahren.